Zur Leitseite Hypermedia - Technische und konzeptionelle Grundlagen Hypermedia-Texte planen Hypermedia-Texte strukturieren und gestalten


Grundlagen I: Übersicht

Daten-Diplomaten: Protokolle, Protokollschichten und Datenfernübertragung (DFÜ)

1. Datenaustausch zwischen vernetzten Rechnern

An der Datenübertragung zwischen zwei Rechnern via Internet sind verschiedene Dienstleistungsschichten beteiligt, die "virtuell" (und in einem nicht-linguistischen Sinne) mit einander kommunizieren und jeweils in bezug auf den Gesamtprozess der Datenkodierung und -übermittlung je spezifische Aufgaben übernehmen. Die "virtuelle Kommunikation" zwischen den einzelnen Schichten folgt hierbei sogenannten "Protokollen", in welchen - ähnlich wie bei Diplomaten - verbindliche Prozeduren zum geregelten Verkehr zwischen den kommunizierenden Einheiten festgelegt sind.

In Anlehnung an Andrew S. Tanenbaum lässt sich die Datenübertragung und -verarbeitung zwischen zwei miteinander vernetzten Rechnern veranschaulichen wie in Abb. 1. Eine besondere Aufgabe kommt nach diesem Modell den sogenannten "Schnittstellen" zu. Als Schnittstellen bezeichnet man diejenigen Punkte, an welchen Datenpakete von einer Dienstleistungsschicht zur nächten weitergegeben werden. Das übergebene Datenpaket setzt sich jeweils zusammen aus den sogenannten "Nutzdaten", also denjenigen Daten, die zu verarbeiten und für die Übertragung vorgesehen sind, und sogenannten "Steuerdaten", die Anweisungen darüber enthalten, auf welche Weise die Verarbeitung der Nutzdaten zu erfolgen hat.

Die Datenübergabe an einer Schnittstelle lässt sich - ebenfalls angelehnt an Tanenbaum - veranschaulichen wie in Abb. 2.



Abb. 1: Modell der Datenübertragung und -verarbeitung zwischen zwei miteinander vernetzten Rechnern.




Abb. 2: Modell der Datenübergabe an einer Schnittstelle.

Erläuterungen zu Abb. 2:
SAP - Service Access Point:
Eindeutig identifizierbare "Übergabepunkte" auf Schnittstellen, an welchen Schicht 1 auf das Dienstangebot von Schicht 2 zugreifen und dieser Daten zur Weiterverarbeitung übergeben kann.
IDU - Interface Data Unit:
Schnittstellendateneinheit ("Datenpaket"), die am SAP von Schicht 1 an Schicht 2 übergeben wird, bestehend aus SDU und ICI.
SDU - Service Data Unit:
Dienstdateneinheit, enthaltend diejenigen Daten, die von Schicht 2 weiterverarbeitet werden sollen (sog. "Nutzdaten").
ICI - Interface Control Information:
Schnittstellensteuerdaten, die Schicht 2 anweisen, wie die in der SDU übergebenen Daten weiterverarbeitet werden sollen.

Das von Schicht 1 an Schicht 2 übergebene Datenpaket (IDU) wird zunächst in Nutzdaten (SDU) und Steuerdaten (ICI) separiert; anschließend werden die Steuerdaten ausgelesen und die Nutzdaten gemäß der darin enthaltenen Anweisungen verarbeitet bzw. aufbereitet. Die Steuerdaten haben somit ihren Zweck (nämlich, Schicht 2 bezüglich der Weiterverarbeitung der Nutzdaten zu instruieren) erfüllt und werden gelöscht. Die aufbereiteten Nutzdaten werden - versehen mit neuen Steuerdaten - an einer weiteren Schnittstelle in analoger Weise an diejenige Dienstleistungsschicht übergeben, die für die nächste Phase des Verarbeitungsprozesses zuständig ist.

Die Funktionen der verschiedenen Dienstleistungsschichten, die über jeweils spezifische Protokolle "virtuell" miteinander "kommunizieren" sowie das Zusammenspiel der Schichten und die Datenübergabe an Schnittstellen lässt sich am besten anhand eines Analogiebeispiels veranschaulichen (vgl. Abb. 3):



Abb. 3: Analogiebeispiel zur Datenübertragung und -verarbeitung zwischen zwei vernetzten Rechnern (nach Tanenbaum).

Die Professoren A und B führen einen Briefwechsel über deutsche Literatur. Im Rahmen dieses Briefwechsels schreibt Professor A einen Brief an Professor B. Damit der Brief von in einer für B verständlichen Form von A zu B gelangt und ein sinnvoller Austausch auf der "Professorenschicht" stattfinden kann, werden nacheinander verschiedene hierarchisch untergeordnete Dienstleistungsschichten aktiv, die jeweils ganz bestimmte Aufgaben übernehmen und die Weiterverarbeitung der Daten nach je eigenen Protokollen betreiben: Die "Übersetzerschicht" kodiert die Daten nach einem vereinbarten Standard (Englisch), die "Sekretärinnenschicht" übermittelt die von der "Übersetzerschicht" aufbereiteten Daten auf eine vorher abgestimmte Art und Weise (nämlich per Fax), das Faxgerät A "kommuniziert" mit dem Faxgerät B über einen für den Faxverkehr verbindlichen Übertragungsstandard. Nach der Übertragung durch das technische Medium wird auf der B-Seite zunächst die "Sekretärinnenschicht" aktiv, die aus dem zwischen den Sekretärinnen vereinbarten Protokoll sowie aus den dem eintreffenden Fax beigefügten "Steuerdaten" weiß, dass die Nachricht für Professor B bestimmt ist, zuvor aber noch vom Übersetzer B aufbereitet werden muss. Übersetzer B erhält von Sekretärin B daraufhin das Fax zur Weiterverarbeitung. Aus dem auf der "Übersetzerschicht" gültigen Protokoll weiß er, dass das Englische nur als Sprache für den internen Austausch zwischen den Übersetzern gilt, nicht aber als Sprache, in welcher die Nachricht dem Empfänger B auf der "Professorenschicht" vorzulegen ist. Er übersetzt die Nachricht daher ins Franzözische und übergibt sie dann Professor B mit dem Hinweis, dass es sich dabei um einen Brief von Professor A handelt. Professor B erhält somit eine durch mehrere Dienstleistungsschichten übermittelte und aufbereitete Form des ursprünglich von Professor A verfassten Briefes; sämtliche Zwischenstufen im Rahmen des Übermittlungs- und Aufbereitungsprozesses (z.B. den ursprünglichen deutschen Text des Briefes, das Original-Fax mit der englischen Version) sind für ihn irrelevant, da diese lediglich der Abwicklung des Austauschs zwischen den untergeordneten Dienstleistungsschichten dienen.

Ein Teil der Schnittstellen (d.h. der Übergabepunkte zwischen den einzelnen Dienstleistungsschichten) ist in Abb. 3 durch Ziffern gekennzeichnet. An diesen Punkten werden die Nutzdaten in einer je unterschiedlich aufbereiteten Form und mit je spezifischen Steuerdaten übergeben:

Schnittstelle 1 (Professor/Übersetzer)
Nutzdaten: Briefmanuskript
Steuerdaten: Übersetze!
Schnittstelle 2 (Übersetzer/Sekretärin)
Nutzdaten: übersetztes Briefmanuskript
Steuerdaten: Versende!
Schnittstelle 3 (Sekretärin/Fax)
Nutzdaten: auf Papier ausgedrucktes übersetztes Manuskript
Steuerdaten: Übermittle!

Die Protokolle zwischen den einzelnen Schichten haben die Aufgabe sicherzustellen, dass die jeweiligen "virtuellen Kommunikationspartner" wissen, welcher Art die ein- und ausgehenden Datenpakete sind bzw. zu sein haben. Für unser Beispiel lassen sich die in diesen Protokollen enthaltenen Konventionen (aus der Sicht der kommunizierenden Einheiten auf der A-Seite) wie folgt paraphrasieren:

Professorenschicht:
Konvention für eingehende Daten: Wenn du einen Brief von Professor B erhältst, bezieht sich dieser auf deutsche Literatur. Wundere dich also nicht, wenn du in dem Brief keine Informationen zu deinen sonstigen Lieblingsthemen (Mikado-Weltmeisterschaft, Apfelsinenernte in Kuba) findest.
Konvention für ausgehende Daten: Wenn du an Professor B schreiben willst, so tu dies - wie vereinbart - in Briefform und halte dich an das vereinbarte Thema deutsche Literatur.
Übersetzerschicht:
Konvention für eingehende Daten: Wenn du einen Brief von Professor B erhältst, der an Professor A adressiert ist, so ist dieser in Englisch verfasst. Sieh also zu, dass du für die Weiterverarbeitung ein englisches Wörterbuch zur Hand hast.
Konvention für ausgehende Daten: Wenn du von Professor A einen Brief zur Übersetzung erhältst, der für Professor B bestimmt ist, so hat die Zielsprache für die Übersetzung Englisch (und nicht etwa Niederländisch, Altindisch oder Koptisch) zu sein.
Sekretärinnenschicht:
Konvention für eingehende Daten: Wenn Professor B Briefe an Professor A schreibt, dann treffen diese per Fax ein. Daher solltest du hin und wieder den Posteingang des Faxgeräts kontrollieren.
Konvention für ausgehende Daten: Wenn du von Übersetzer A einen Brief erhältst, der für Professor B bestimmt ist, so soll dieser per Fax (und nicht etwa per Post, per E-Mail oder per berittenem Boten) an das Sekretariat von Professor B (und nicht etwa an Herrn Bs Privatadresse oder an die Adresse seiner Finca auf Mallorca) verschickt werden.

Hinweis: Dieses Analogiebeispiel wird natürlich nicht verfälscht, wenn es sich bei den Professoren um Professorinnen, bei den Übersetzern um Übersetzerinnen und bei den Sekretärinnen um Sekretäre handelt.

2. Datenanforderung und -übermittlung im World Wide Web

Der Austausch von Dat(ei)en via World Wide Web erfolgt auf der Grundlage des (TCP/IP-basierten) HTTP-Protokolls (Hyper Text Transfer Protocol) und der nach dem sogenannten "Client-Server-Prinzip" konstruierten WWW-Architektur (vgl. hierzu auch das Kapitel "Daten auf Reisen"). Um ein Dokument (eine sogenannte "Webpage" oder "WWW-Seite") von einem Server anzufordern, muss an den betreffenden Rechner eine Anfrage gestellt werden, die das gewünschte Dokument über einen Uniform Resource Locator (URL) eindeutig spezifiziert. Ein URL ist somit mehr als eine bloße "WWW-Adresse" - vielmehr lässt er sich vergleichen mit einem Bestellschein, mit welchem zum einen eine Ressource beschrieben und zugleich angefordert wird (vgl. die Veranschaulichung in Abb. 4). Ist die Anfrage erfolgreich, so wird dem anfordernden Client vom angesprochenen Server eine Kopie des betreffenden Dokuments zugestellt (in der Regel binnen weniger Sekunden). Die eintreffende Datei wird - sofern sie im HTML-Format kodiert ist - vom Browserprogramm auf dem Client-Rechner analysiert, gemäß eines im Programm implementierten Styles zur Visualisierung von HTML-Auszeichnungen interpretiert und schließlich dem Benutzer in grafisch aufbereiteter Form als "WWW-Seite" am Bildschirm präsentiert.

Abb. 4: Veranschaulichung: Was hat ein URL mit einem Bestellschein gemeinsam?


Zum Weiterlesen:

Andrew S. Tanenbaum: Computernetzwerke. 3., rev. Aufl. London. Mexiko. New York. Singapur. Sydney. Toronto 1998.
Zurück zum Seitenanfang
Grundlagen I: Inhaltsübersicht
Urheberrechtlicher Hinweis